Kapitel 2.12
Jugend hackt
Das Projekt
Mit Code die Welt verbessern – das ist seit 2013 das Ziel von Jugend hackt, einem Programm für Jugendliche zwischen 12 und 18 Jahren, die Lust auf Technik haben und darauf, sich damit auseinanderzusetzen, wie Technik und Gesellschaft zusammenhängen. Bei Jugend hackt wird natürlich gecodet und gebastelt, es geht uns aber um mehr. Wir wollen einen verantwortungsbewussten Umgang mit Technik vermitteln. Dazu gehört für uns, dass wir uns mit ethischem Hacking auseinandersetzen, aber auch mit der Offenheit von Code und Daten. Technik-Kompetenz ist mehr als etwas, das sich gut im Lebenslauf macht. Es geht uns also nicht darum, die Jugendlichen auf einen konkreten Beruf vorzubereiten oder möglichst früh Kontakte zur Wirtschaft zu knüpfen. Lernen heißt für uns vor allem, sich selbst auszuprobieren und auch Fehler zu machen. Unser pädagogischer Ansatz folgt daher stark dem erfahrungsbasierten Lernen. Gemeinsam mit unseren ehrenamtlichen Mentor:innen können die Jugendlichen bei Jugend hackt eigene Projektideen entwickeln und sie gemeinsam umsetzen.
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Das Problem
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Jugendliche erleben eine Welt, die durch Technik geformt wird, die nur von einem kleinen Teil der Gesellschaft gemacht wird.
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Mögliche Ursachen
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Ungleiche Bildungschancen,
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fehlende Sensibilität für Machtstrukturen,
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eine grundlegende gesellschaftliche Technik-Skepsis,
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mangelnde Anerkennung für die Programmierbegeisterung bei Jugendlichen,
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fehlende offene Lernräume mit passenden Angeboten in ihrer Nähe sowie
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der oft noch fehlende Blick für die gesellschaftlichen Chancen der Digitalisierung
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führen dazu, dass
in einer Gesellschaft, deren Möglichkeiten immer stärker von technischen Systemen geformt wird, ein Ungleichgewicht zugunsten der nicht repräsentativen Gruppe herrscht, die diese Systeme entwirft und produziert.
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Lösungsansatz
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Jugend-Hackathons
Jugendliche vernetzen sich mit Gleichgesinnten, arbeiten an digitalen Projekten und setzen sich gleichzeitig mit deren gesellschaftlichen und ethischen Implikationen auseinander.
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Workshops und offene Angebote in Labs
Jugendliche können in ihrer Nähe regelmäßig Gleichgesinnte treffen, neue Fähigkeiten erlernen und ausprobieren und gemeinsam an eigenen Projekten arbeiten.
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Angestrebte Wirkung
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auf Jugendliche, die gerne programmieren
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Jugendliche erweitern ihr Wissen und ihre Reflexions- und Teamfähigkeit,
- vertiefen ihre Problemlösungsfähigkeiten,
- entwickeln eine Sensibilität für Verantwortung/Ethik in der Technik und
- erleben (politische) Selbstwirksamkeit.
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auf Jugendliche, die die in der Technikszene eher unterrepräsentiert sind
- Jugendliche entwickeln Zugehörigkeitsgefühl und ein positives Selbstbild,
- erfahren eine Bestätigung der eigenen Kompetenzen als relevant und erleben ein Umfeld, das sie gleichberechtigt akzeptiert.
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gesellschaftliche Wirkung
Jugendliche vernetzen sich und sind motiviert, sich gesellschaftlich zu engagieren. Es entsteht mehr Beteiligung in Form von digitalem Ehrenamt sowie eine breitere Reflexion über ethische Fragen der Digitalisierung.
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Was ist 2021 passiert?
Ressourcen
Laufzeit
Das Projekt läuft seit September 2013.
Budget
2021:
Einnahmen: 659.561 €
Ausgaben: 606.664 €
davon Personalausgaben: 221.734 €
davon Sachausgaben: 384.930 €
2020:
Einnahmen: 811.476 €
Ausgaben: 631.695 €
davon Personalausgaben: 368.148 €
davon Sachausgaben: 263.547 €
Personal
Projektleiterinnen: Mechthild Schmidt | Projektmanagerin: Nina Schröter, Anne Ware | Community Manager: Philip Steffan | studentische Mitarbeiter: Leonard Wolf, Ivan Botica | Bundesfreiwilligendienstleistender: Benjamin Laske
ehrenamtliche Arbeit
über 6.000 Stunden
Partner:innen
mediale pfade.org – Verein für Medienbildung
inhaltliche Schwerpunkte
- In diesem Jahr wagten wir gemeinsam mit den Jugendlichen den Blick auf die Situation nach der Pandemie. Unter dem Jahresmotto ➠„Was kommt da»nach?“ lenkten wir den Blick von der Corona-Müdigkeit und den Enttäuschungen über die konzeptlose digitale Bildung auf mögliche Lösungen für eine Gesellschaft, die anders aussehen wird als vor der COVID-19-Pandemie. Für unsere weiterhin online stattfindenden Events haben wir mit der „Alpaka-World“ einen neuen digitalen Veranstaltungsort geschaffen, an dem ein wesentlich aktiveres Zusammenkommen als in herkömmlichen Videokonferenzen möglich wurde. Drei große Städte-Events und weitere kleinere Angebote nutzten dieses Tool, weitere drei Events konnten im Herbst – nach anderthalbjähriger Präsenz-Pause – klassisch vor Ort stattfinden, darunter das Berliner Event. Ein sorgfältig aufgestelltes Hygienekonzept ermöglichte dabei die persönliche Begegnung für die Jugendlichen und das Organisationsteam und verhinderte erfolgreich Ansteckungen. Auf den Events wurden wir von einer Filmemacherin begleitet, die aus vielen Interviews mit Jugendlichen und Mentor:innen eine ➠Kurzfilmreihe über Jugend hackt erstellt hat. Im Mittelpunkt der operativen Arbeit stand die bisher größte Erweiterung des Lab-Angebots, das von 5 auf 15 Standorte anwuchs. Auch hier verlangte die Corona-Situation große Flexibilität, da die Labs je nach aktueller Situation zwischen Präsenz- und Online-Angeboten wechseln mussten. Für erfolgreiche Workshopformate aus den Labs haben wir eine Plattform aufgesetzt, um diese Anleitungen als OER (Open Educational Resources) zur freien Nachnutzung anzubieten. Unser 2020 gestartetes Online-Format Community Talk setzten wir weiter fort. Außerdem beschäftigte sich das Projektteam im Rahmen von Schulungen weiter mit ➠Diversity-Maßnahmen, die unter dem Begriff „Anti-Bias-Strategie“ vor allem darauf zielt, ein organisationsinternes Neudenken zu fördern.
Output
- Es war ein großes Jahr für die Labs von Jugend hackt – aus 5 wurden 15. Im Mai und Juni konnten wir nach den Auswahlgesprächen ➠neun neue Standorte verkünden: Dresden, Erfurt, Freiberg, Görlitz, Isenbüttel, Jena, Mannheim, Ravensburg und Traunstein. Dadurch wuchs unser spannendes und vielfältiges Netzwerk aus Orten und Trägern – Fablabs, Hochschulen, Museen, Vereinen, Forschungsinstituten und städtischer Jugendarbeit – die ab dem Sommer ein regelmäßiges lokales Angebot starteten.
- Unter den deutschlandweiten Labs blieb Berlin sozusagen unser Heimathafen, in dem wir selbst die Angebote für Jugendliche schaffen und Konzepte aus dem Lab-Netzwerk entwickeln und erproben. Ab April fanden zahlreiche Workshops und Vorträge im xHain Hack+Makespace statt, mit dem wir seit Jahren für das Berliner Jahresevent verbunden sind. Alle neuen Labs eint: Es war nicht leicht, mitten in der Pandemie ein neues Vor-Ort-Angebot für Jugendliche zu schaffen. Zeitweilig fanden die Angebote online statt, in der Alpaka-World und mit anderen Tools. Immer wenn es die aktuellen Corona-Regeln und die Vernunft erlaubten, gab es jedoch viele Präsenzangebote.
- Gemeinsam mit unseren tollen Teams vor Ort fanden 2021 sechs Wochenend-Events statt. Im Mai, Juni und Juli gingen Frankfurt, Köln und Hamburg in die nächste Runde, allesamt als reine Online-Veranstaltungen. Anstelle auf reine Videocalls zu setzen – wie noch im Jahr 2020 – nutzten wir dafür unsere brandneue Alpaka-World, einen virtuellen Ort für die Jugend-hackt-Community. Ein vollwertiger Ersatz für eine persönliche Begegnung ist auch die Alpaka-World nicht, aber sie ist eine deutliche Verbesserung gegenüber Videokonferenzen: Sich in einem Raum bewegen und wechselnde Gespräche in spontanen Kleingruppen führen zu können, gibt ein stärkeres Gefühl des Dabeiseins.
- Im Oktober konnten wir nach über 500 Tagen Pause endlich wieder Jugendliche und Mentor*innen auf drei Präsenz-Events begrüßen: in Berlin, Mannheim und München. Es ist nicht zu unterschätzen, was das für ein Programm wie Jugend hackt, bei dem die persönliche Begegnung so zentral ist, bedeutet. Wir sind sehr glücklich, dass sich die aufwändig vorbereiteten Hygienekonzepte für die Events ausgezahlt haben und alle gesund geblieben sind. Insgesamt haben die Teilnehmer:innen auf den sechs Events ➠41 Projekte erdacht und entwickelt. Viele davon suchen Lösungen für Probleme, die beim digitalen Lernen oder bei Videocalls auftreten oder wollen Menschen übers Netz zusammenbringen; die Jugendlichensetzten sich also konkret mit aktuellen Herausforderungen in der Pandemie auseinander.
- Das siebte Event hätte im Dezember in Dresden stattfinden sollen – ein kleines Revival, denn zuletzt gab es Jugend hackt dort 2016. Wegen der hohen Inzidenzen mussten wir diese Veranstaltung leider absagen und ins Jahr 2022 verschieben. Als kleinen Ersatz lud das Dresdner Team kurz vor den Ferien noch zur Weihnachtshackerei ein, einem gemeinsamen Nachmittag in der Alpaka-World.
- Die ursprünglich für 2020 geplante ➠Jugendkonferenz dareCon! kam auch 2021 nicht vor Ort in Bangkok zustande. Stattdessen trafen die Jugendlichen aus zehn Ländern aus dem asiatischen und Pazifikraum sowie aus Deutschland im April online. Damit war auch die Zeit gekommen, die Frage „Wie stellst du dir den Jugendaustausch der Zukunft vor?“, die uns seit 2016 auf den Reisen mit dem Goethe-Institut begleitet, praktisch auszuprobieren: In der Alpaka-World bauten wir gemeinsam an digitalen Begegnungsorten.
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Community Talk: 2020 hatten wir angefangen, mit tollen Menschen aus dem Umfeld und der Community von Jugend hackt Gespräche über Technik und Gesellschaft zu führen und diese live zu streamen. Das haben wir 2021 nahtlos fortgesetzt und ➠sechs weitere spannende Sendungen produziert.
- Der jährliche CCC-Congress vom 27. bis 30. Dezember fand dieses Jahr erneut unter dem Titel rC3 virtuell statt. Auch die WikiPaka-WG, seit einigen Jahren Ort und Bühne der Communities von OKF DE, Wikimedia und weiteren Freund:innen der Offenheit, wurde erneut liebevoll virtuell gestaltet und eingerichtet.
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Unseren ➠Code of Conduct haben wir im Frühjahr komplett neu formuliert. Diese wichtigen Verhaltensregeln gab es bei Jugend hackt schon immer, es war aber Zeit, sie einmal zu konkretisieren und zu aktualisieren. Weil diese Regeln alle betreffen, waren daran auch Menschen aus allen Ecken der Jugend-hackt-Community beteiligt. Gemeinsam mit Teilnehmer:innen, Mentor:innen und Organisator:innen aus unserem Netzwerk haben wir viel diskutiert und als Ergebnis einen CoC formuliert, der weniger hehre Wünsche und mehr konkrete Grenzen benennt und zusätzliche Erklärungen für alle verlinkt, die sich noch nicht mit allen Begriffen auskennen.
- Uns liegt das Thema OER bzw. freie Bildungsmaterialien für Jugendliche sehr am Herzen. Dazu haben wir im vergangenen Jahr angefangen, erfolgreiche Workshops aus unseren Labs in Form von Anleitungen zu verschriftlichen und online zur Verfügung zu stellen. Die meisten Workshops liegen schriftlich und mit vielen Abbildungen vor, einige Workshops zeigen aber auch den Einsatz verschiedener Software in einer Reihe von Anleitungsvideos. ➠Alle OER-Materialien stehen unter offenen CC-Lizenzen und können kostenlos heruntergeladen und genutzt werden.
Outcome
Mehr als 1000 Jugendliche haben an unseren Angeboten teilgenommen. Auf den Events haben die Jugendlichen 41 Projekte konzipiert und selbst umgesetzt. Die knapp 150 Lab-Angebote wurden gut angenommen, Jugendliche nehmen weiterhin regelmäßig teil und kommen immer wieder. Wir haben es geschafft, eine dauerhafte Online-Community für Jugendliche aufzubauen, in der lebhaft und angeregt diskutiert wird. Die Jugendlichen erfahren Selbstwirksamkeit und übernehmen aktive Rollen im Programm als Mentor:innen auf Events, als Vortragende und Workshopleiter:innen in den Labs und online, als gleichberechtigte Ansprechpartner:innen in inhaltlichen Fragen, als Moderator:in im Community Talk oder indem sie ihre Themen in die Online-Community einbringen.
Impact
Die Jugendlichen werden in ihrer Fähigkeit gestärkt, Dinge selbst zu gestalten und ihr technisches Knowhow mit gesellschaftspolitischem Gestaltungswillen zu verknüpfen. Dabei können sie ihr Selbst- und Weltbild weiterentwickeln und diese neuen Perspektiven auf ihren Alltag übertragen. Dies wirkt sich auf ihre Interaktion sowohl mit Gleichaltrigen als auch mit Erwachsenen aus. Langfristig wirken diese Erfahrungen und Erkenntnisse der Politikverdrossenheit entgegen und führen zu einer reflektierteren und gleichzeitig positiveren Diskussion um unsere digitalen Möglichkeiten. Es entstehen Anstöße und Motivation zur Mitgestaltung des eigenen Umfelds und damit letztlich unserer Gesellschaft. Durch die neu eröffneten Jugend-hackt-Labs haben mehr Jugendliche an mehr Orten niederschwelligen Zugang zu unseren Angeboten. Sie erwerben dort neue Fähigkeiten, geben sie an andere Jugendliche weiter und wenden ihr neues Wissen an. Sie arbeiten eigenständig an Projekten weiter und verbessern dabei ihre Teamfähigkeit.
Evaluation
- Innerhalb des Jugend-hackt-Teams überprüfen wir anhand unserer Jahresziele und Meilensteine quartalsweise das Erreichen der Ziele und justieren gegebenenfalls unsere Abläufe. Hierzu kommen wir einmal im Jahr in unserem Team zu einer Klausurtagung zusammen, darüber hinaus führen wir zweimal im Jahr, im Frühjahr und zum Jahresende, ein ➠Netzwerktreffen mit allen Partnerorganisationen durch.
- Neben dem Monitoring darüber, wie viele Jugendliche wir online und bei unseren Veranstaltungen erreichen, führen wir regelmäßig Gespräche mit den Jugendlichen, um zu überprüfen, welche Bedarfe und Verbesserungsvorschläge unsere Zielgruppe hat.
Ausblick
2022 wollen wir erneut bis zu zehn neue Labs eröffnen, um noch mehr regelmäßige Angebote schaffen zu können. Wir setzen unsere Online-Angebote fort, solange es pandemiebedingt nötig ist, und planen parallel Events und Labs wieder vor Ort. Durch die Gründung eines Jugendbeirats wollen wir unsere Zielgruppe noch direkter an inhaltlichen Fragen beteiligen. Wir planen außerdem eine Fachkonferenz zum Jahresende.